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Jeder Hund zeigt erwünschtes Verhalten- auch wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde ist.
Es liegt an uns, dieses Verhalten einzufangen, zu verlängern und auszubauen. Ulrike Seumel
Man hört es immer wieder: "Du vermenschlichst deinen Hund!" Ein heißes Eisen, denn der Hund ist ein Teil unserer Gesellschaft, ihn nicht so zu behandeln, wie es artgerecht ist, ist ein Verstoß gegen unsere Vorstellung vom Umgang mit Tieren!
Doch was ist überhaupt artgerecht, vor allem beim Hund? Artgerechte Haltung versucht sich an den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere zu orientieren. Ihre Bedürfnisse weitgehend zu befriedigen und ein Lebensumfeld zu schaffen, welches ihren ursprünglichen Lebensweisen nahe kommt.
Beim Tiger oder Elefanten, selbst beim Wolf können wir uns das recht gut vorstellen! Dichter Dschungel, weite Steppe oder die Gebirgszüge der Rocky Mountain oder die Wälder und Wiesen
der Lausitz! Doch beim Hund? Er ist seit tausenden von Jahren ein Bestandteil unserer Gesellschaft! Sein Habitat ist die menschliche Umgebung, der Hof, das Haus, die Stadt!
Hunde können sich hervorragend den unterschiedlichsten Lebensräume des Menschen anpassen. Man findet sie in Hamburg, New York. Am Timmendorfer Strand, in den Bergen der Schweiz. Bei
den Ureinwohnern Südamerikas, in Grönland bei den Eskimos und in Australien! Rund um den Globus, in allen erdenklichen Lebensräumen, die auch der Mensch bewohnt. Sie sind also ein
Teil von uns! Wissenschaftler sprechen zum Teil auch von einer Co-Evolution bei Mensch und Hund!
Was ist also das Vermenschlichen eines Tieres, das so eng mit uns zusammen lebt? Ich habe einmal ein paar Hundehalter gefragt und viele antworteten u.a.
folgendes: Den Hund im Bett schlafen lassen, den Hund auf’s Sofa lassen, dem Hund Mäntel anziehen, dem Hund Plüschhalsbänder und Hundehandtäschchen kaufen, mit dem Hund
sprechen, als wäre er ein Mensch usw.
Kommen wir nocheinmal auf die artgerechte Haltung zurück! Der Hund lebt in unserem Haus, in der Stube, auf dem Flur, im Schlafzimmer. Aber auch im Dschungel und in der Eiswüste! Wie
soll man da sagen, was artgerecht ist? Hunde leben gerne in Gruppen, aber nicht zwingend. Hunde mögen die Gesellschaft von Menschen, zumindest kuscheln sich meine Hunde abends an uns
heran und schnarchen genüsslich. Und sie werden zum großen Teil danach selektiert, sich dem Menschen anzuschließen, weniger aber anderen Hunden. Wir sind sicher noch weit davon
entfernt, ein Ethogramm für den Hund komplett erstellen zu können! Es gibt zu viele verschiedene Lebensräume und… auch zu viele verschiedene Hundetypen!
Wir können also fast nur aus dem Verhalten des Hundes schließen, ob es für ihn lebenswert und somit artgerecht ist! Wenn wir auf ein langes Leben des Hundes, ohne größere Problem, ohne, oder nur mit wenig Krankheiten, nur wenig Aggressionsverhalten usw. zurückblicken können, können wir annehmen, dass unsere Haltungsbedingungen für dieses Individuum artgerecht und typgerecht waren. Wenn der Hund sein Umfeld kontrollieren konnte, sodass er sich wohl fühlte, haben wir es wahrscheinlich geschafft! „Sein Umfeld kontrollieren“ bedeutet im Übrigen nicht, dass er uns auf Schritt und Tritt verfolgt, sondern beschreibt die Basis eines jeden Dasein! Wenn man sein Umfeld nicht kontrollieren kann, sind Stresserkrankungen wahrscheinlich! Das heisst auch nicht, wenn man einen problematischen Hund hat, dass man ihn nicht typgerecht hält! Man sollte nur um die Probleme wissen und entsprechend das Verhalten des Hundes trainieren, damit er sich besser fühlen kann, bzw. das Umfeld entsprechend managen.
Hunde können sich ihren Lebensraum oft nicht aussuchen! Wir gehen zum Züchter oder ins Tierheim oder suchen uns einen Hund bei einer Tierschutzorganisation im Internet aus. Wir entscheiden, wo er fortan leben wird! Wir entscheiden, wann er rausgehen darf, wir entscheiden, was es zu Fressen gibt, wir entscheiden, mit wem er sich ggf. fortpflanzen darf und auch wir entscheiden oft, mit wem er spielen darf/soll oder nicht!
Was ihm bleibt, sind die Dinge, die seine Biologie vorgeben! Hunde nehmen ihre Umwelt anders wahr als wir! Sie können wesentlich besser riechen, besser hören, anders sehen! Ihr
Blickwinkel ist anders, ihre Vorstellungen von sozialen Interaktionen sind anders. Während in der mitteleuropäischen Kultur des Menschen es fast ein Muss ist, dem Gesprächspartner ins
Gesicht zuschauen, während man sich mit ihm unterhält, bedeutet dies in der Hundewelt oft eine Bedrohung. Viele Hunde genießen es, sich mit einem halb verwesten Fisch zu parfümieren.
Eine frische Rehspur versetzt sie in Ekstase.
Wir unterstellen ihnen, sie kennen die Bedeutung von Besitz! Wenn wir die Bedürfnisse der Hunde, so individuell sie auch sein mögen, nicht kennen und nicht erkennen wollen/können und wir ihnen die menschliche Sichtweise der Welt, unsere Realität, aufdiktieren, dann, meiner Meinung nach, vermenschlichen wir unsere Hunde.
Wenn wir nicht akzeptieren, dass unser Hund den Hund unserer Bekannten nicht mag, obwohl wir doch so gerne mit ihr spazieren gehen und unsere Hund dadurch immer wieder in eine schwierige Situation bringen; wenn wir nicht akzeptieren, dass das Herumschnüffeln ein Teil seiner Bedürfnisse befriedigt; wenn wir nicht akzeptieren, dass der Hund nicht gerne angefasst wird, dann vermenschlichen wir Hunde! Wenn wir davon ausgehen, der Hund kann sein Verhalten reflektieren, wenn er an der Leine zieht und wir bestrafen es, dann unterstellen wir ihm Fähigkeiten, die wir selber noch nicht einmal zu 100% erfüllen können.
Wir Menschen sehen nun einmal die Welt aus der menschlichen Perspektive, wir haben keine andere Wahl als zu vermenschlichen, gerade in Situationen, in denen wir, sagen wir einmal: emotional vorbelastet sind! Der Hund kann aber die Welt auch nur aus seiner Perspektive wahrnehmen. Dies sollte uns, zumindest ab und an bewusst werden.
Es liegt an uns, uns seine Welt durch Lernen und Beobachten greifbarer zu machen um sein Verhalten und seine Bedürfnisse besser zu verstehen.
Viel Spass in der Welt der Hunde.
Gerd Schreiber, www.sagesch.de
geboren 1974, betreibt seit 2006 seine eigene Hundeschule und ist seit 2009 Trainer im CumCane Netzwerk! Bei seiner Arbeit unterstützen ihn seine beiden Border Collies Spike und Snow. Snow ist von Geburt an taub und erfordert ein besonderes „Händchen“, besonders in Bezug auf eine kontrollierte Körpersprache des Menschen. All das Wissen und die Erfahrungen aus diversen Seminaren bei verschiedenen Referenten und seit 2010 als Co-Trainer zusammen mit Dr. Ute Blaschke-Berthold sowie der täglichen Arbeit mit Menschen und Hunden bilden die Grundlage für das tägliche Training, seine Seminare und Vorträge.
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