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Jeder Hund zeigt erwünschtes Verhalten- auch wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde ist.
Es liegt an uns, dieses Verhalten einzufangen, zu verlängern und auszubauen. Ulrike Seumel
Originaltext von Marc Bekoff, Ph.D.,
veröffentlicht am 01.September 2012 in Animal Emotions, Psychology Today
Übersetzung von Maria Rehberger
"An einem schönen, warmen Nachmittag sah ich einer Gruppe von Hunden dabei zu, wie sie ausgelassen im Park herumtollten. Plötzlich hörte ich den schrillen Aufschrei einer Frau, gefolgt vom
Stampfen menschlicher Füße. Es gab keinen Grund hinzuschauen; es ging offensichtlich um Rammelei, was wir auch als Aufreiten bezeichnen können."
Das schrieb Julie Hecht in ihrem ausgezeichneten Artikel über das Aufreiten bei Hunden. Weil das Wort "Rammeln" oft bei einigen Menschen als anstößig empfunden wird, hat Julie ihren Aufsatz
"R*mmeln" genannt.
Aufreiten und Rammeln bei Hunden gehören zu den Verhaltensweisen über die Menschen viele Annahmen treffen. Über die Gründe wissen wir aber nicht wirklich viel. Hunde reiten auf andere Hunde oder
andere Tiere auf bzw. rammeln diese aus vielfältigen Stellungen heraus. Sie bedienen sich dabei, ohne mit der Wimper zu zucken, beispielsweise menschlicher Beine und Gegenständen wie
Strandbällen, Wassereimern, Futterschüsseln, Kissen und Mülleimern. Wenn Sie dabei zusehen möchten, dann tun Sie das bitte, aber eigentlich ist Publikum dabei nicht nötig. Manchmal halten die
Hunde bis zu 20 – 30 Sekunden durch, manchmal springen sie nur auf, rutschen wieder herunter und schlendern davon. Ob der Hund nun klein oder groß ist, ist dabei nicht relevant.
Während es vielen Menschen peinlich ist, wenn sie einen geliebten vierbeinigen Freund in der Öffentlichkeit aufreiten und rammeln sehen, ist dieses Verhalten ein ganz normaler Bestandteil
hundlichen Verhaltens. Sowohl Rüden als auch Hündinnen reiten auf und rammeln. Diese Verhaltensweisen treten zum ersten Mal sehr früh im Hundeleben auf, besonders während des Spiels. Aufreiten
und rammeln sollten deshalb nicht als abnormale Verhaltensweisen angesehen werden.
Am besten bekannt ist Aufreiten in seiner Rolle für die Fortpflanzung, aber es taucht auch in anderen Kontexten und emotionalen Zuständen auf. Hunde reiten auf, wenn sie aufgeregt oder erregt sind und auch wenn sie gestresst und ängstlich sind. Nimm die Leine zur Hand, um zu einem Spaziergang aufzubrechen und Lassie beginnt auf Toto aufzureiten. Du kommst nach einem langen Arbeitstag nach Hause und Spot macht sich über Dein Bein her.
Aufreiten kann auch ein – wie es Ethologen nennen – Übersprungverhalten sein. Das bedeutet, es ist ein Nebenprodukt von miteinander in Konflikt stehenden Emotionen. Bei manchen Hunden erzeugt ein neuer Besucher im Haus eine Mischung aus Aufregung und Stress, die Aufreiten auslösen kann. Wie wir vielleicht den Fernseher anschalten, wenn uns langweilig ist, so entwickeln manche Hunde die Angewohnheit, während ruhiger Phasen des Tages aufzureiten – manchmal um Aufmerksamkeit zu bekommen, als Verhalten das Zugehörigkeit ausdrücken soll oder wenn der Hund übererregt ist. Ich habe Hunde beim Genuss dieser "Hundegymnastik" völlig durchdrehen sehen – sie rennen hierhin und dorthin und berammeln erst einen Freund und dann einen Ball.
Wie hängen Dominanz und Aufreiten zusammen? In einem aktuellen Artikel zum Thema Aufreiten schreibt Peter Borchelt Ph.D., ein geprüfter Tierverhaltensforscher (Certified Applied Animal
Behaviorist – CAAB) in New York: "Aufreiten kann Teil einer Folge von Verhaltensweisen sein, die mit Aggression, einem hohen Status, Ressourcenverteidigung, direktem Fixieren und Bedrohen sowie
sich über einen anderen stellen in Zusammenhang stehen. Aber das Aufreiten selbst, weist nicht auf etwas Statusbezogenes hin. Das Aufreiten an sich bedeutet vermutlich nicht wirklich viel."
(zitiert in Hecht, 2012).
In meinen eigenen Studien zur Entwicklung des Sozialverhaltens bei jungen Hunden, Kojoten und Wölfen waren aufreiten, umklammern und berammeln nicht direkt mit Dominanz verbunden, auch nicht bei
den wilden Kojoten, die meine Studenten und ich im Grand Teton National Park außerhalb von Jackson, Wyoming studiert haben.
Ich frage mich, ob Hunde in manchen Situationen andere berammeln, weil andere Hunde in der Nähe sind, die sie dabei beobachten können. Vor Jahren entdeckte ich bei einer detaillierten Studie von Urinier-Verhalten an Hunden, denen ich leicht folgen konnte, dass diese oft etwas taten, was ich „trockenmarkieren" nenne; sie heben ein Bein, aber urinieren nicht. Als ich mir die sozialen Kontexte ansah, in denen das passierte, stellte sich heraus, dass das Trockenmarkieren häufiger vorkam, wenn andere Hunde dabei waren, als zu Zeiten, in denen der jeweilige Hund alleine war. Ich schlussfolgerte, dass das Beinheben möglicherweise ein visuelles Signal sein könnte, das anderen Individuen etwas in der Art wie "Ich (der Hund) habe gerade gepinkelt" mitteilt. Es wäre interessant zu wissen, ob Hunde auch besonders dann aufreiten und rammeln, wenn andere Hunde sie dabei sehen können. Falls das so wäre, könnten aufreiten und rammeln etwas damit zu tun haben, anderen etwas über relative Dominanz mitzuteilen.
Es bedarf also zukünftig weiterer Forschung, um herauszufinden, wie oft aufreiten tatsächlich in rammeln mündet. Wir wissen wirklich nicht besonders viel über diese Verhaltensweisen und oft
hängen sie zusammen, so dass Verallgemeinerungen über ihre Bedeutung für die beteiligten Hunde noch zurückgestellt werden müssen.
Ist Rammeln ein Problem und was können Sie dagegen tun?
Sind Aufreiten und Rammeln Probleme, über die wir uns Sorgen machen sollten? Aufreiten, inklusive Rammeln und Masturbation sind nach Meinung der Amerikanischen Gesellschaft zur Vorbeugung von
Misshandlung von Tieren (ASPCA = American Society for the Prevention of Cruelty to Animals) und anderen normale Verhaltensweisen, obwohl sie sich bei manchen Hunden zu einer zwanghaften
Gewohnheit, wie zum Beispiel übermäßiges Schwanzjagen, entwickeln können.
Die wichtigere Frage ist jedoch, "was bedeuten Aufreiten und Rammeln für Ihren Hund?". Um diese Frage zu beantworten, stellen Sie beide Verhaltensweisen in den Kontext in dem die eine oder andere
oder beide auftreten.
Was zum Beispiel passiert vor dem Aufreiten und wie oft und wie lange tritt es auf? Wenn Aufreiten einen Hinweis darauf gibt, dass ein Hund unterfordert ist, könnten ihm zusätzliche geistige oder
körperliche Aktivitäten angeboten werden. Wenn Aufreiten darauf hinweist, dass der Hund ängstlich ist, sollte dafür gesorgt werden, dass er sich in bestimmten Situationen wohler fühlt. Oder, wenn
ein Hund überfordert ist und deshalb überschnappt oder grob und unhöflich in sozialen Interaktionen mit anderen Hunden oder Menschen wird, wäre es gut Interaktionen zu fördern, die beiden
Beteiligten gut tun. Die Erziehungsberechtigten (sprich die Besitzer) können Aufreiten und Rammeln unterbrechen, indem sie die Aufmerksamkeit des Hundes umlenken oder ihm ein Alternativverhalten
beibringen, das ihm in der Interaktion mit anderen hilft.
Vielleicht kommt aufreiten und/oder rammeln bei Ihrem Hund nur ab und zu vor, einfach weil es ihm gefällt und weil er es kann. Belassen Sie es dabei. Lassen Sie Ihren Hund Hund sein.
Die Hintergründe von Aufreiten und Rammeln
Julie Hecht beschließt ihren Artikel über das Rammeln folgendermaßen: "Um die Hintergründe eines jeden Verhaltens zu erfahren, empfiehlt [Marc] Bekoff zum Heim-Ethologen zu werden. "Nehmen Sie
sich Stift und Papier und schreiben Sie auf, was vor und nach dem Verhalten passiert, für das Sie sich interessieren. Das kann Ihnen mehr über das Verhalten an sich verraten." Diese Technik kann
Ihnen dabei helfen herauszufinden, wann an einem Verhalten gearbeitet werden muss und wann es einfach so gelassen werden kann wie es ist."
"Wenn Hunde sprechen könnten – und tatsächlich tun Sie das durch ihr Verhalten – sie würden uns darum bitten, nicht jegliches Aufreiten zu einer universellen Bedeutung zusammenzupacken. Was sagt
Ihnen also das Aufreitverhalten Ihres Hundes?"
Wenn wir versuchen ein Verhalten zu analysieren, sind wir alles in allem besser damit bedient, wenn wir beoabachten und die Wurzeln eines Verhaltens verstehen, als mit den Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen.
Selbstverständlich gibt es nicht nur eine einzige Erklärung für Aufreiten oder Rammeln. Es sind normale Verhaltensweisen, deshalb sollten wir dafür sorgen, dass unser eigenes Unbehagen Hunde nicht in ihrem normalen Hundeverhalten einschränkt. Sie können sich wegdrehen, so tun, als würde es nicht passieren oder nervös kichern und – wie ich oben bereits schrieb – die Hunde Hunde sein lassen. Eine Sache ist sicher: Hunde rammeln, weil sie es können.
September 2012 in Animal Emotions, Psychology Today http://www.psychologytoday.com/blog/animal-emotions/201209/why-dogs-hump
Maria Rehberger, Easy Dogs - Hundetraining Nürnberg
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